BLANK LIGHT

JÉRÔME LEUBA, BASIM MAGDY
Kuratiert von NADJA SOLARI

3. Februar bis 2. März 2008

Vernissage: Samstag, 2. Februar, 18 Uhr

Mittwoch, 20. Februar, 19 Uhr
Werkgespräch mit Cathérine Hug, Zürich

 

Bild
Jérôme Leuba: battlefield #32, 2007
Objekt, Courtesy Galerie Madonna Fust

 

 

Das Jahresprogramm des Ausstellungsraum Klingental startete mit einer Doppelausstellung von Jérôme Leuba (*1970) und Basim Magdy (*1977). Ausgehend von einem sehr unterschiedlichem biografischen Hintergrund – Jérôme Leuba lebt und arbeitet in Genf, Basim Magdy wurde in der ägyptischen Stadt Assuit geboren, studierte in Kairo und lebt seit einem halben Jahr in Basel – haben sie für den Ausstellungsraum Klingental eine Ausstellung vor Ort entwickelt. Beide beschäftigen sich mit den Reflexen, die mediale Bilder in unserer Wahrnehmung von Wirklichkeit auslösen.

Leuba und Magdy teilen ein grundsätzliches Interesse an Mehrdeutigkeit, an versteckten oder offenen Bedeutungen, an Sicht- und Unsichtbarkeit und an den verschiedenen Modi von Repräsentation. Die absurd anmutenden Zeichnungen, Installationen und Videos von Basim Magdy beschäftigen sich auf humorvolle und zugleich hintersinnige Weise mit persönlichen und globalen Machtkämpfen, falschen Versprechungen und der Darstellung von Krieg und Gewalt in den Medien. Jérôme Leuba nennt seine real-life Inszenierungen «Battlefields»; auch diese verhandeln in den unterschiedlichsten Formen und Medien Fragen von Repräsentation und Partizipation. Beide Künstler versetzen den Betrachter gerne in einen Zustand leichter Verwirrung, Unsicherheit oder Unbequemlichkeit. Und beide tun dies elegant und nicht ohne einen gewissen, zuweilen tiefschwarzen Humor.

Die zwei Künstler inszenieren ihre Begegnung in einer Atmosphäre von Zwielicht und schon fast schizophrener Ambiguität. Die Arbeiten selbst fungieren im sonst dunklen Raum als nahezu einzige Lichtquellen. Leuba und Magdy haben eine Situation geschaffen, in der soeben etwas passiert sein könnte, oder vielleicht noch passieren wird, die jedoch auf eine eindeutige Aussage bewusst verzichtet. «Your Head is a Spare Part in our Factory of Perfection» lesen wir in der Leuchtarbeit The Future of your Head von Basim Magdy. In ihrer Perforierung erinnert sie an Blindenschrift, während wir die Reflektion des eigenes Kopfes darin erkennen. Aber wer spricht da, von woher, und welche Rolle genau spielt unser Kopf in dieser ominösen Fabrik der Perfektion?

Auch in einer Skulptur von Jérôme Leuba begegnet uns ein Kopf – genauer eine Maske, eine Balaklava, die eigentlich zur Vermummung dient, nur ist sie aus transparentem Kunststoff und führt somit ihre Bestimmung ad absurdum (Battlefield #32). Ein weiterer Raum ist ganz von Masken besetzt: hunderte Atemschutzmasken, deren Verwendungszweck jedoch unklar ist, bekleiden die Wände und verwandeln den Space in eine Art weisse Gummizelle (Battlefield #38). Und was hat es mit der Person auf dem Feldbett auf sich, die als lebende Skulptur unter einer Sicherheitsdecke liegt und deren Wahrnehmung durch eine Schlafmaske sowie Ohrenstöpsel auf Null reduziert ist (Battlefield #40)?

Ein flackerndes Licht geht von der Videoarbeit Battlefield #45 aus, welche einen Balkon mit heruntergelassener Jalousie teilweise erhellt. Hinter der geschlossenen Tür vernehmen wir Stimmen, die jedoch keinen Aufschluss darüber geben, was in dem Raum vor sich geht. Woher kommt das Licht? Ein Feuerwerk? Warum sind die Jalousien geschlossen? Fallen draussen Bomben? Oder ist es eine Razzia? Die vordergründige, ausgesprochen poetische Schönheit der Szene birgt den Faktor potentieller Gefahr. Die nur schwer entschlüsselbaren Bilder evozieren gleichzeitig Medien- wie Traumbilder und spielen mit Déjà-vus.

Um Traumbilder und Déja-vus geht es auch in dem Video Maybe there is a Message von Basim Magdy. Was als Dialog aufgebaut ist, entpuppt sich bald als Monolog einer gespaltenen Persönlichkeit, die einen Albtraum zu entschlüsseln sucht. Einen Traum, der vom Teufel handelt, und gleichzeitig von eben diesem geträumt wird. Wie sieht der Teufel aus, und wie geht es ihm wohl heute? In Magdys Vision begegnen wir einer eher verloren wirkenden als Furcht erregenden Kreatur, die einen Psychiater aufsucht und noch dazu an einen Stuhl gefesselt ist, während sie sich in einer absurden Zeitschlaufe gefangen durch einen gespenstischen Wald schlägt, verfolgt von einem Hornissennest. Er ist geplagt von Selbstzweifeln, Schlaf- und  Arbeitslosigkeit, hat aber die Zeit immer im Auge. Diese etwas lächerliche doch zutiefst menschliche Existenz, die ihre Idendiät verloren hat, trifft auf ein Alter Ego, das, obwohl zunächst souverän, vom selben Albtraum geplagt ist.

Die kollektiven Ängste, die Leuba und Magdy hier beschwören, berühren gerade durch ihre Mehrdeutigkeit. Sie sind so definiert, dass sie sowohl auf globale Phänomene anwendbar sind, wie auch auf die versteckten Ängste und Unsicherheiten, die in uns allen schlummern – der Verlust von Arbeit, Sicherheit oder Identität, die Angst vor unbekannter Bedrohung. Auch die eingeschränkte Fähigkeit zu sehen, zu hören oder sich frei zu bewegen trägt zu dieser Verunsicherung bei. Letztlich ist es ja nicht das Wissen darum, was geschehen wird, sondern genau das Nichtwissen darum, welches am meisten beunruhigt.
Text: Eva Scharrer, Basel

Die Ausstellung wurde unterstützt von der Kulturstiftung Pro Helvetia.


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