WUNSCH-ORDNUNG / DESIDERIO ORDINE
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©Cécile Hummel
Öffnungszeiten Di bis Fr 15-18 Uhr und Sa/So 11-17 Uhr. Während der Art|Basel (13. bis 16.6.) Mo bis So 15-20 Uhr
Wunsch Ordnung / Desiderio Ordine heisst das zweiteilige Ausstellungsprojekt, das im Ausstellungsraum Klingental in Basel und im Temporary Museum, Chiesa di S. Mattia ai Crociferi in Palermo stattfindet. Gezeigt werden fünfzehn zeitgenössische künstlerische Positionen aus der Schweiz und Sizilien.
Zwei Inseln. Eine von Meer umgeben, die anderen von den Ländern der Europäischen Gemeinschaft. Das Ausstellungsprojekt Wunsch Ordnung / Desiderio Ordine verbindet zwei grundlegende Interessen. Es schafft eine Brücke zwischen der Schweiz und Sizilien; die Ausstellungen bringen Positionen aus Sizilien und der Schweiz unter ein Dach und bilden Berührungspunkte zwischen den Kunstschaffenden und ihren Werken. Im gleichen Zug treten zwei regional agierende Kunsträume in Basel und Palermo in einen temporären Dialog. Das Projekt fördert den kulturellen Austausch zwischen zwei europäischen Regionen und verhandelt die unterschiedlichen Ausganglagen; die Schweiz als eine vom Staat subventionierte Kulturlandschaft, Sizilien als eine nahezu aus der italienischen Kulturpolitik ausgeschlossene Region am Rande der europäischen Gemeinschaft.Das Ausstellungsprojekt Wunsch Ordnung / Desiderio Ordine untersucht aber auch künstlerische Positionen, die das eigene Umfeld genau betrachten und die bestehende Ordnungen hinterfragen, neu interpretieren und arrangieren. Dabei interessieren weniger die formalen Aspekte von Ordnung und Chaos – sondern viel mehr eine scharfsinnige Wahrnehmung bestehender gesellschaftlicher Ordnungen und das Aufstellen von neuen „Wunsch Ordnungen“. Das verbindende Element ist die Gegenüberstellung von Modellen und Gegenmodellen, der eigenen Wirklichkeit und deren Verknüpfungen.
Der erste Teil des Ausstellungsprojekts findet ab Mitte Mai in Basel statt. Dabei wird der Ausstellungsraum Klingental mit einer Raumintervention von Markus Müller radikal in eine neue Anordnung gebracht. Der Künstler “bricht“ alle rechten Winkel des Raums und definiert über die Verdoppelung der Raumecken, den Ausstellungsraum architektonisch neu.
Als Gegensatz dazu steht die Videoarbeit von Loredana Longo, in welcher ein bürgerlicher, italienisch inszenierter Innenraum in die Luft gesprengt wird, Konventionen werden umordnet und der Verfall damit bereits impliziert. Bei der grossformatigen Fotoarbeit von Stefania Galegati Shine legt eine Intervention den grossmütterlichen Geschirrschrank offen und das angeordnete Innenleben frei. Der voyeuristisch gewaltsame Akt stört die familiäre Intimität und stellt sie bloss. Der Künstler Francesco Simeti verwendet die Tapete als Repräsentant für bürgerliche Aufgehobenheit und unterfüttert die traditionellen Ornamente und Muster mit politisch aufgeladenen Motiven.
Umgekehrt, die aus Italien stammende, aber in der Schweiz aufgewachsene Künstlerin Loredana Sperini: In ihrer Werkgruppe arbeitet sie zwar mit Porzellanscherben, welche aus Trümmerhaufen aus dem zweiten Weltkrieg in Berlin stammen, komponiert die aufgeladenen Stücke aber zu eigenen intimen Skulpturen, welche aus der Ferne betrachtet aus einem italienischen Soggiorno stammen könnten. Die Figur von Hildergard Spielhofer schreitet, mit einem Holzgeweih ausgerüstet, eine 8- eckige Begrenzung ab, die den Grundriss der Chiesa di San Mattia ai Crociferi in Palermo nachempfindet. Sie marschiert nach einem vorgegebenen Ablauf der Begrenzung entlang, bis Erschöpfung oder Unkonzentriertheit den Gang unterbricht.
Auch wenn sie sich formal sehr unterscheiden, verfolgen der Künstler San Keller und das Künstlerduo Lutz/Guggisberg inhaltlich einen ähnlichen Zugang zu Wunsch und Ordnung. In der als Buch gebundenen Arbeit Wear them all hält San Keller Seite für Seite sein Selbstportrait fest, das einzig durch die Wahl der Sonnenbrille eine leichte Variation erfährt und setzt sich selbst der Ambivalenz des unersättlichen Konsumierens aus. Im skulpturalen Werk Besitzer von Lutz/Guggisberg sitzt einer, wie der Titel suggeriert, auf einem Haufen von Holzscheiten. Er bewacht mit ängstlicher Mine seinen Besitz und beobachtet von hoher Warte aus misstrauisch das Szenario der Ausstellung. Die Künstler untersuchen mit ganz unterschiedlichen Mitteln die bestehende Ordnung des Konsumierens und des Anspruchs des Konsumenten auf Besitz.
Urs Aeschbachs skurriles Werk befasst sich immer mit imaginären Wirklichkeiten. In der Ausstellung zeigt er eine kleinformatige, fünfteilige Serie mit unterschiedlichen Totenköpfen und stellt sie mit leiser Ironie immer anderen Bildmotiven gegenüber. Mal tritt gespenstisch ein fröhlicher Hundekopf aus dem dunklen Hintergrund, mal kriecht gelassen eine Schnecke am Bildrand entlang. Der Maler Andrea di Marco nimmt den Unrat seiner eigenen Stadt zum Ausgangspunkt seiner Malereien, vollzieht aber in den im Ausstellungsraum Klingental gezeigten Werken eine Umkehrung, indem er sich während eines Aufenthalts in Basel dem Unrat der Rheinstadt angenommen hat.
Cecilé Hummel hingegen sammelt Motive aus dem öffentlichen Leben in Palermo und arrangiert die Fotografien zu Anordnungen, die sie teilweise wiederum abfotografiert. Die Anordnungen werden auf Tischvitrinen ausgelegt, umgekehrt verwendet sie leere Vitrinen als Motiv für Gouachearbeiten. Der Künstler Costa Vece sucht aus Magazinen Motive und komponiert sie zu aufwändig collagierten Masken. Die Masken agieren als Sinnbild von Distanz und Absonderung und stehen im Spannungsfeld zum immerwährenden Bildfluss der Medien und der künstlerischen Aneignung der Motive. Mit seinen Arbeiten rückt Benny Chirco dem allgemeinen gültigen italienischen Kunstverständnis auf dem Leib. Im Mittelpunkt seiner Arbeiten steht das klassische Porträt und dient ihm als Ausgangslage für verschiedene Arrangements. Auf einer gemalten Umsetzung köpft er die Porträtierten kurzerhand, bei einer weiteren Installation stehen und liegen verschiedene Malereien scheinbar achtlos abgestellt im Ausstellungsraum.
Adalberto Abbate verknüpft formal verschieden Medien und lädt sie mit politischen Inhalten auf. Zum Beispiel benützt er das allgegenwärtige Louis Vuitton Logo um es auf potenzielle Wurfgeschosse - Pflastersteine - zu meisseln oder er drechselt mit einheimlichen Handwerkern Baseballschläger, in die er politischen Slogans einritzt.
Text: Andrea Roca
Dieser Austausch mit Sizilien wird unterstützt von der Christoph Merian Stiftung und den Kulturpauschalen von Basel-Stadt und Baselland, sowie anonym bleibenden SpenderInnen.
Für den Ausstellungsraum Klingental organisiert von Thomas Heimann.