semantic RIOTS
Sprachliche Zuschreibungen sind allgegenwärtig und ein Grundstein unserer Kommunikation. Sie sind dabei aber nicht bloss Worte, sondern Handlungen, die dem Bezeichneten einen Platz in unserem sozialen Gefüge zuweisen. Nicht selten sind sie dabei diskriminierend, limitierend und gehen oft fehl. Besonders gut lässt sich dies in Zusammenhang mit der aktuellen Migrationsbewegung in Europa beobachten. Das breite Spektrum der Medienbilder und sprachlichen Projektionen unterstützt populistische Rhetoriken und schafft Ausschlusskriterien und Stigmatisierungen für die Geflüchteten.
Das Ausstellungsprojekt semantic RIOTS, kuratiert vom Leipziger Бükü - Büro für kulturelle Übersetzungen, widmet sich den Sprech- und Bildakten, die mit den aktuellen Migrationsbewegungen in Europa einhergehen. Der Titel der Ausstellung semantic RIOTS verweist zum einen auf unser komplexes Kommunikationssystem und ist gleichzeitig ein Appel an unsere Sprachen selbst, eigene Mechanismen der Bedeutungsproduktion zu hinterfragen. Die Formulierung des Philosophen Ludwig Wittgenstein „als ob mit dem Akt des Benennens schon das, was wir weiter tun, gegeben wäre“[1] nimmt das Projekt als These auf, um diverse Mechanismen hinter dem scheinbar harmlosen Prozess des Sprechens aufzudecken. Das Sprechen in Worten und Bildern verstehen wir demzufolge als eine Handlung, die die Kraft besitzt, die Realität zu verändern. Sollte nicht allem voran unsere Sprache heutzutage auf die Barrikaden gehen?
Die Ausstellung lädt KünstlerInnen aus Basel, Beirut, Bilbao, Kiew, Leipzig, Moskau und Sankt-Petersburg ein, über gescheiterte Übersetzungsversuche und bildliche Missverständnisse in unterschiedlichen Kulturkreisen nachzudenken. Es werden ältere sowie neu für die Ausstellung produzierte Videoarbeiten, Installationen, Malereien, Collagen und Skulptur gezeigt, die zum kritischen Nachdenken über unsere eigenen (u.a. visuellen) Sprachen einladen. Der Komplexität dieser sprachlichen Handlungen ist dabei kaum beizukommen, jeglicher Versuch schon im Vornherein zum Scheitern verurteilt. Doch gerade darin liegt die Hoffnung, eben dabei die Mehrdeutigkeit jedes Bildes, jeder sprachlichen Zuschreibung und jeglicher Phänomene, die damit in Verbindung stehen, aufzudecken.
[1] Adler, Leo: „Ludwig Wittgenstein. Eine existenzielle Deutung“, S. 79, 1976