Der Ausstellungsraum zu Gast im Hinterhof

Les jeux sont faits

Im Hinterhof Offspace Basel

16. bis 31. Dezember 2011

 

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Hinterhof Offspace: Einladungsflyer, 2011

 

 

Vernissage: Samstag, 15. Dezember, ab 19 Uhr
Finissage: Samstag, 31. Dezember
Geöffnet: 16./17. Dezember, 24. Dezember und 31. Dezember ab 22.00 Uhr; 19. Dezember, ab 20.00 Uhr

Am 15. Dezember kommen sieben zusammen. Sieben Offspaces/Kunsträume der Basler Basis, inszenieren den Offspace im Hinterhof. Unabhängig voneinander vergeben die eingeladenen Kuratoren ihren Platz einem Künstler, der diesen zu bespielen hat. Wer wen einlädt und was macht, beziehungsweise machen lässt, wer den quaderartigen Körper wie nutzt, bleibt bis zur Vernissage unbekannt.

Eingeladen sind Ariane Kochs Museum der Künste, der Ausstellungsraum Klingental, die Cargobar, Oslo 10, Schwarzwaldallee, Van Horbourg und Zip.

Die Kurzausstellung ist vom 15. Dezember bis Ende Jahr geöffnet, bevor die bespielten Elemente in der Silvesternacht ihren letzten Auftritt haben werden. In dem Sinn: Die Würfel sind gefallen, das Spiel ist aus, der Hinterhof Offspace ist tot, es lebe der Hinterhof Offspace!

 

Ausstellungsraum Klingental
präsentiert
Ausstellungsraum Klingental

mit Werken von: LEIF BENNETT, ALEXANDRA VOM ENDT, THOMAS HEIMANN, RAHEL SCHELKER, BRUNO STEINER
und Auszügen aus einem Gespräch zwischen: TOBIAS BRUNNER, LENA FRIEDLI, LEILA MARTIN, ANNINA ZIMMERMANN
kuratiert von LENA FRIEDLI


LF: Wir sitzen heute hier um anlässlich der Ausstellung im Hinterhof Offspace über den Ausstellungsraum Klingental zu sprechen und über uns als Vorstand – als jene, die diesen Raum betreiben. Über unsere Rollen, Funktionen und Motivationen. Stellen wir uns kurz vor:

AZ: Ich bin Annina Zimmermann. Bei mir haben sogenannte „artists run spaces“ eine wichtige Rolle in meiner Biographie gespielt, weil ich eigentlich Kunsthistorikerin bin und aber spätestens nach zwei Jahren Museumsassistenz gemerkt habe, dass ich eine andere Art von Kollaboration mit Künstlern anstrebe.

LF: Ich bin Lena Friedli. Ich habe Kunstgeschichte und Kulturanthropologie studiert und habe danach einen Master an der HGK gemacht. Ich bin seit etwas mehr als zwei Jahren im Vorstand und betreibe daneben noch mit drei anderen den KECK Kiosk. Der Anschluss an die lokale Kunstszene ist mir sehr wichtig, insbesondere die direkte, nicht hierarchisch gegliederte Zusammenarbeit mit den Kunst- und Kulturschaffenden.

LM: Ich bin Leila Martin. Ich habe Drama und Theatre Arts studiert. Dann war ich als erstes am Theater Basel in der Dramaturgie des Tanztheaters angestellt. Mein Standpunkt ist, dass Kunst, Theater, Tanz etc. alles miteinander zu tun hat und mich auch alles interessiert. In den Vorstand bin ich gekommen, nachdem ich an dem Treffen zur Neukonzipierung des Raumes teilgenommen habe.

LF: Der Ausstellungsraum existiert ja eigentlich bereits seit bald vierzig Jahren, seit 1974... und ist damit der älteste Off Space der Schweiz.

AZ: Ja, aber damals nach dem Treffen war es gar nicht so sehr eine strukturelle Änderung, eher eine atmosphärische. Es war immer ein Vorstand, der wie ein künstlerischer Beirat funktioniert hat, teils zusammengesetzt aus Vertretern von Organisationen, aber vor allem aus individuellen engagierten Künstlern. Vor allem die Mitglieder äussern sich und aktivieren sich mehr. Und dass ist auch was wir gemacht haben. Ein Ziel war es, osmotischer mit der Szene verbunden zu sein. Strukturell hat sich seit 1974 an der Form des Vereins nicht viel geändert. Diese Organisationsform existiert und wäre eigentlich erneuerungsfähig.

TB: Mein Name ist Tobias Brunner, ich studiere Kunstgeschichte und Germanistik. Mein Zugang war erst kürzlich und eigentlich relativ spontan. Nun bin ich dabei und ich schätze die Arbeits- und die Herange-hensweise, wie die Kunst mit den Künstlern und mit den Kuratoren und umgekehrt umgeht. Ich meine, das Wort fällt vielmals, dass der Ausstellungsraum eine Plattform ist. Ich persönlich finde Plattform nicht nur der richtige Begriff, es ist eigentlich mehr eine Gelegenheit gewisse Sachen einzubringen, Erfahrungen, die ich innerhalb des theoretischen Hintergrundes mitbringe...

LM: Mir ist es extrem wichtig, dass man hier alles macht, bzw. machen kann, vom Nägel in die Wand schlagen, Abwaschen bis zum Vernissagerede halten. Es ist wichtig, dass man die Hintergründe mitbekommt und nicht nur das Künstlerische.

TB: So ist auch eine gewisse Durchlässigkeit garantiert. Wenn alles offen gelegt ist, was es zu machen gibt und was man macht.

LF: Obwohl das nach aussen nicht immer so durchlässig ist. Viele unserer Besucher wissen nicht, dass alle alles machen und, dass wir keine hierarchischen Strukturen haben und dass es ehrenamtlich ist. Aber vielleicht muss man das auch nicht.

TB: Möglicherweise muss man das nicht, aber vielleicht wäre es ein Bedürfnis, dass wir dies offen legen. Es ist ein Teil davon, wie wir funktionieren.

AZ: Ich sage es immer dann, wenn es Reklamationen an der Bar gibt, weil etwas nicht schnell genug geht. Dann staunen die meisten zuerst mal. Dies ist eine der Dynamiken, in der man drinsteht. Es besteht ein grosser Druck, immer alles besser machen zu wollen. Man ist immer am tweaken, aber eigentlich muss es zwischendurch auch wieder Abbrüche geben, damit man eben nicht wie eine Institution daherkommt.

TB: Aber ich finde genau dies auch ein extrem ehrliches Moment...

LF: Wir machen es aus eigenen Stücken, aus einer Entscheidung heraus, die von uns kommt.

AZ: Wir können reinbuttern, wie wir wollen. Wir können für ein Projekt mal über die Grenzen gehen und dann für die nächsten zwei Monate den Stecker rausziehen.
Es geht auch um eine grundlegende Gastfreundlichkeit als Atmosphäre und diese ermöglicht viel. Dies war auch der Punkt, als wir hier in den Vorstand eingestiegen sind. Damals war gerade eine alternatives Modell am tun. Sie wollten eigentlich einen Professionalisierungsschritt indem Sie einen Kurator einstellen wollten. Wir haben uns aber dagegen entschieden, weil wir das Gefühl hatten, das Umfeld würde weg brechen. Wenn der eine bezahlt wäre, dann würden die anderen nie mehr auf dieselbe Art mitziehen. Statt noch eine unterbezahlte Institution zu formieren wollten wir eine, bei der alle unter den gleichen Bedingungen arbeiten.

LM: Und auch wir im Vorstand sind sehr heterogen. Wir haben unsere verschiedenen Kompetenzen.

LF: Und unsere Planung mit den fünf Ausstellungen pro Jahr und jeweils zwei bis drei Wochen Aufbauzeit ermöglicht vieles. Es ist immer jemand von uns, der zuständig ist und betreut. Und jene, die das Projekt machen, kommen oft nicht mit komplett vorgefertigten Konzepten hierher, sondern es entwickelt sich vor Ort in der Zeit...

AZ: Und ich glaube ehrlich, dass die guten Ausstellungen mit dem Prozess zu tun haben, der eben in der Aufbauphase stattfindet. Wir leben hier einen differenzierten und auf viele Leute verteilten Prozess. Und es gibt keinen Chef. Dies ist entscheidend. Es ergibt sich auch nicht die Gefahr von zuviel Routine. Es wechselt stetig und bleibt...

LF: ...lebendig.

AZ: Und manchmal sind es Zitterpartien... Also, wenn es hier in dem Gespräch darum geht, darüber zu berichten, wie wir uns vielleicht von den Künstler-Mitgliedern im Vorstand unterscheiden, so würde ich meinen, es gibt ab und zu Situationen, wo jemand deine Meinung wissen will zu einer Ausstellung, weil sie noch eine ‚Kuratorin nötig haben’. Und da geht es oft um eine Form von Konfliktvermeidung, oder dass eben von Aussen der Konflikt reingetragen wird. Manchmal geht es auch um eine Sprachlosigkeit, die mich interessiert. Dass man in diesen ungewissen Situationen versucht eine Sprache zu schulen. Dass man nicht bloss von der Theorie her kommend schreibt, sondern aus dieser Absenz von Sprache heraus beginnt zu reden...

LF: Das war für mich ein extremer Lernprozess, da ich ja über die Museumsarbeit in die Kunstszene einstieg, wo auch immer wieder Werke ohne Präsenz der Künstler gehängt werden. Ich hatte ein wirklich naives Bild von der Funktion eines Kurators... Und dann hier im Ausstellungsraum ist es komplett anders. So ging es bei mir darum zu merken, dass die Künstler ja oft selber wissen wie. Und es eben um eine andere Funktion geht – darum, vielleicht mal zu hinterfragen oder nochmals einen Dialog zu entwickeln auf einer gleichen Ebene und nicht so autoritär...

TB: Und eine wichtige Komponente hier ist das Zeitliche. Ausstellen nicht als ein Hintereinander zu verstehen, wo zuerst Kunst geschaffen und dann kuratiert wird sondern, dass es übergreifend ist und auch vor Ort entstehen kann. Einmal ist es der Künstler, der seine Meinung sagt, einmal ein Kunsthistoriker und dass man so beim Kuratieren und Kunst machen, beim Hängen und bei dem ganzen Konzeptionellen etwas Neues erschaffen kann, was nicht so institutionell ist. Das gibt dann unterschwellig etwas, was nicht wirklich benennbar ist, weil die Ebenen und Autoritäten ineinander fliessen.

AZ: Ich habe als Kuratorin von Ausstellungen immer mal wieder eine Überraschung erlebt. In guten Situationen passiert das immer, egal wie. Aber ich denke hier ist es die Struktur, die dies fördert.

LF: Wie wenn zum Beispiel die Textarbeit eigentlich über die Gespräche und Dialoge im Raum beim Aufbau entsteht. Ich bevorzuge dieses Direkte und aus dem Prozess Entstehende.

AZ: Zu unserem Engagement für den Raum, habe ich noch eine Anekdote: Heute beim Zähneputzen hat mir mein Freund von einem Gespräch erzählt, das Bruno und Thomas hatten: Thomas hat wegen der Ausstellung im Hinterhof erzählt, dass er dies und das machen will und vielleicht noch ein Modell baut und beim erzählen wurde sein Beitrag für die Ausstellung immer aufwendiger und irgendwann sagt Bruno zynisch, aber auch fürsorglich: „Hey, es ist nicht die Tate Modern, es ist der Hinterhof!“

LF: Und dann ‚nur’ ein Würfelelement...

AZ: Und dann sagt Thomas: „Das ist mir wurscht!“ – Das fasst es für mich zusammen: Wir wissen alle, dass es nicht die Tate Modern ist, aber das ist uns egal!

LM: Wir machen’s trotzdem.

LF: Noch einzubringen ist vielleicht, dass ich mit der Idee, dass wir den Ausstellungsraum wirklich repräsentieren im Hinterhof dies auch provoziert habe. Und eventuell ist dies nun auch repräsentativ für uns, weil wir ja sonst oft so ein bisschen stumm sind und ‚nur’ den anderen eine Plattform bieten. Und wenn wir jetzt mal Protagonisten sein dürfen, dies auch ausschöpfen möchten.

LM: ... dass man sieht, an was und wem es hängt.

TB: Denkt ihr, bei uns besteht die Gefahr auch, dass wir bei Vernissage bloss vorne im Foyer eine Event-Kultur haben unabhängig von der Ausstellung?

AZ: Naja, also für mich ist es schon kritisch. Der Moment, wo wir jeweils den Ausstellungsraum zu machen und die Lichter löschen. Da zieht man mir jeweils wie den Stecker raus... weil ich sehr gern durch die Ausstellung gehe, auch wenn hinter mir Lärm herrscht. Dieses Verhältnis ist mir einfach sehr wichtig...

LF: ...dass beides statt findet.

AZ: Und dort ist halt der Druck, den die Off-Spaces längerfristig auf die Institutionen ausüben können, wahrzunehmen. Nicht nur, dass man trinken und rauchen darf in der Ausstellung sondern auch dass man eine Durchlässigkeit herstellt, zu zeigen dass Gespräche eben nicht nur im pädagogischen Zusammenhang stattfinden sondern auch mal...

LF: ...mit einem Bier in der Hand. Es kann als problematisch angesehen werden, dass Leute nur wegen dem Bier zu uns kommen oder so. Aber ich meine auch, dass genau dies wiederum etwas ermöglicht, nämlich eine Zugänglichkeit. Es mögen Leute nur wegen dem Anlass/der Party kommen, doch diese schauen sich dann die Ausstellung trotzdem an. Man geht mit dem Bier in die Ausstellung und hat schlussendlich eine interessante Diskussion. Je nachdem erreicht man Leute, die sonst nicht kämen. Und dies geht einher mit unserer Diskussion, dass wir manchmal uncool daher kommen. Das mag sein, aber wir sind im Gegenzug zugänglich und durchlässig. Es kommen sehr verschiedene Leute zu uns, auch solche, welche die Nase voll haben von der Kunstszene. Und dann bin ich gern etwas zu gemütlich. Auch wenn wir uns positionieren wollen in der Off-Szene – dann sind wir halt jene, bei denen es immer auch noch ein Feuer und eine Wurst gibt. Das ist mir egal!

TB: Nun, inwiefern ist „Die Würfel sind gefallen – les jeux sont faits“ auch unser Thema? Wie positionieren wir uns da?

LF: Dies ist der Titel der ganzen Ausstellung. Für unseren Teil kam mir „Faites vos jeux“ in den Sinn – weil ich quasi euch allen und mir selbst diese Plattform gebe. Wir machen unser Spiel. Im Hinterhof geht um eine Momentaufnahme der Basler Offszene. Aber für uns ist es ja nicht fertig. Es geht eher darum zu zeigen, wer wir sind, wo wir sind, was wir machen und soll wohl auch als eine Art Ausblick dienen.

TB: Ich hab mir eben Gedanken gemacht zu diesem Roulette-Charakter: Es ist vorbei – „alea jacta est“. Oder „nichts geht mehr“. Dieses Wortspiel hab ich versucht umzumünzen auf die kuratorische Arbeit: Wenn man kuratiert, dann geht es ja immer auch um Entscheidungen...

AZ: um Setzungen...

TB: Also wie mache ich das? Denn manchmal geht einfach nichts mehr: „rien ne va plus“. Und dies ist für mich ein wichtiger Punkt, dass man für Ausstellungen immer irgendwann einen Abschluss finden muss.

AZ: Es ist der Moment der Entscheidungen – aber in dem Wortspiel ist auch viel von Zufall drin! Es geht um Vor-Entscheidungen, und danach fällts aber... in diesen kooperativen Prozessen gibt’s so viele Dynamiken, wo man zwischen durch auch loslassen muss oder will – die Würfel fallen lassen.

TB: Ja, dies ist eine unserer Rollen, zu versuchen trotz aller Beliebigkeit, welche so etwas annehmen kann, trotzdem einen Mehrwert hinein zubringen. Dass gezeigt wird, dass wir auch eine Plattform für einen Diskurs bieten. Nicht nur dass wir beim Aufbau etc. helfen, sondern dass wir einen gewissen Kontext bieten und ermöglichen, eine Resonanz, ein Publikum und ein Reden darüber... dort liegt für mich der Mehrwert unserer Arbeit. Auch wenn dies vielleicht etwas wirtschaftlich gedacht ist, aber man muss ja einen Mehrwert finden.

AZ: Schlussendlich ist es im Casino ja so, dass nicht der einzelne gewinnt, sondern die Bank!

LF: Wer ist denn die Bank?

AZ: Ich würde schon sagen die Stadt – oder das Kulturleben der Stadt.

LF: Ja. Die Bank gewinnt immer.

AZ: Zumindest nicht unbedingt der Einzelne.

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