WHEN SHALL WE THREE MEET AGAIN

WALTER DERUNGS, THOMAS HAURI, HAGAR SCHMIDHALTER

6. März bis 10. April 2011

Vernissage: Samstag, 5. März, ab 18 Uhr

Donnerstag, 17. März, ab 19 Uhr
Essen und Musik

Die Ausstellung bleibt während der Basler Fasnacht am 15. und 16. März geschlossen.

 

Bild
Walter Derungs: Aus der Serie Daluan, 2011, Farbfotografie

 


In der Ausstellung «Wen shall we three meet again» treffen die Arbeiten zweier Künstler und einer Künstlerin aufeinander, die Ende der 1990er Jahre in Basel Bildende Kunst studiert haben. Die Ausstellung ist für die Künstler Inspiration und Anlass zugleich, mit neuen Werken im Ausstellungsraum Klingental über die Gemeinsamkeiten wie Unterschiede ihrer Arbeitsweisen sowie die eigene künstlerische Positionierung nachzudenken.

„When shall we three meet again? / In thunder, lightning, or in rain?“, „When the hurlyburly's done, / When the battle's lost and won“ – so lauten die ersten Sätze in William Shakespeares Drama Macbeth, die zwischen den drei berühmten Hexen gesprochen werden. Mit dem Ausstellungstitel, der die Anfangsworte von Shakespeares Stück aufnimmt, stellen die Künstler in ihrem Aufeinandertreffen im Ausstellungsraum bereits die Frage nach einer nächsten noch ungewissen Zusammenkunft. Die Ausstellung erhält damit die spielerische Bedeutung einer Weissagung wie einer Verschwörung und verweist auf eine Orientierung auf die Zukunft – auf das, was sich noch ereignen mag und was sich bei ihrer nächsten Begegnung wieder verändert haben wird.

Derungs, Hauri und Schmidhalter entwickeln ihre Arbeiten ausgehend von persönlichen Beobachtungen ihrer unmittelbaren Umgebung: im städtischen Alltag, in suburbanen Gebieten oder auf Reisen. Dabei sind für sie vor allem architektonische Räume und Strukturen wichtige Ausgangspunkte. Ähnlich wie in den Werken einer Reihe von zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern zeigt sich die Architektur in ihren Arbeiten als eine Protagonistin mit einer eigenen – konkreten, imaginären oder hypothetischen – Ikonografie. Sie wird als ein Indikator für die Sehnsucht nach harmonischen Wohnräumen, neuen Erschliessungen und fortschrittlichen Lebensweisen genauso wie für soziale Entfremdung, institutionelle Überwachungssysteme oder politische Konflikte verstanden. Für Derungs, Hauri und Schmidhalter ist die Architektur ein Bezugssystem, von dem aus sie die existierenden Unvereinbarkeiten innerhalb der urbanen Kultur sowie die Auswirkungen domestizierter Räume auf die Menschen untersuchen. Ihre Auseinandersetzung mit Architektur verfolgen die Künstler in einem sichtbaren Prozess des Experimentierens und des Transformierens. In ihren Werken werden in den gewählten Medien und Materialien unterschiedliche Modifikationen, Zersetzungen, Korrekturen oder Fehler gezeigt – eine einheitliche oder ganze Perspektive auf Architektur ist nicht mehr möglich. Die formale Reduktion von räumlichen Anordnungen ist nicht im Wunsch einer Verrätselung der Wirklichkeit begründet, sondern stellt für die Künstler eine glaubwürdige und authentische Methode dar, ihre Beobachtungen in der eigenen künstlerischen Sprache zu reflektieren. Ihre Arbeiten umkreisen oft einen Zustand der Melancholie, der durch die Abwesenheit von Menschen sowie die Darstellung von Flüchtigkeit und Fragilität hervorgerufen wird. Die Werke widersetzen sich jedoch mit den wandelbaren Formen stets einer Nostalgie und besitzen vielmehr die Qualität von fiktionalen Entwürfen.

In seinen Fotografiearbeiten untersucht Walter Derungs architektonische Bauten und Symbole künstlich geschaffener Harmonie. Meist entstehen seine Aufnahmen an Orten, an denen soziale, politische oder gesellschaftliche Umbrüche sichtbar werden. So dokumentiert er in der Serie «Daluan» (2010), die anlässlich seines Stipendienaufenthalts in China entstanden ist, die Widersprüche zwischen modernen und ländlich improvisierten Lebensweisen in der Metropole Peking. Auch die Bilder «Beijing Amusement Park» (2010), die in einem Vergnügungspark mit veralteten illusionistischen Designs und Kulissen entstanden sind, thematisieren die einstigen Utopien des kommunistischen Systems.

Seit einiger Zeit arbeitet Derungs direkt mit der Materialität der Schwarzweiss-Fotografie, indem er Abzüge manuell vergrössert und die lichtempfindliche Oberfläche während der fotochemischen Entwicklung mit Schwamm und Pinsel behandelt. Die grossformatigen Negativbilder «Palme» (2011), das eine monumentale Hochhausfassade zeigt, und «Raum 1» (2011), ein streng gegliederter Innenraum eines Gefängnisses, setzen sich aus einzelnen Teilen zusammen. Diese Fragmentierung wiederholt dabei die repetitiven Gliederungen der Architekturen. Durch Derungs Verfahren bleiben auch Verwischungen und Schlieren erkennbar, welche die Bauten in einen Zustand zwischen Zerstörung und Aufbau überführen. Diese bildnerischen Auflösungen spiegeln Derungs Beschäftigung mit dem Begriff der „umgekehrten Ruinen“, mit welchem Robert Smithson die postindustrielle Landschaft New Jerseys im Essay «A tour of the Monuments of Passaic» (1967) beschrieben hat. Auch in den Fotografien «Haus 1» und «Haus 2» (beide 2011) zeigen sich Störungen: Aufgrund der starken Vergrösserung erhalten die Aufnahmen der modernistischen Wohnhäuser, eingebettet in eine chaotisch wuchernde Natur, eine grobkörnige Struktur und erscheinen dadurch in einer beinahe zeichnerischen Beschaffenheit.

Die Motive in Thomas Hauris Aquarellen leiten sich von den Lagerungsmethoden von Stahlträgern und Betonplatten ab wie sie auf Baustellen für die Konstruktion von Häusern zu finden sind. In verschiedenen Intensitäten verdichten sich die Segmente in Hauris Bildern zu architektonischen Gefügen, die in undefinierten, leeren Bildräumen zu schweben scheinen. Die verschachtelten Gliederungen sind in dramatisierten Perspektiven skizziert: Sie stossen dynamisch in die Tiefe oder aus der Bildfläche heraus und manifestieren einen labilen Moment zwischen Zusammenbruch und Statik. Eine der Referenzen für die Generierung von körperlichen Volumen durch die unregelmässige Wiederholung identischer Formen sind für Hauri die Betonreliefs des Schweizer Bildhauers Ödön Koch (1906–1977).

Hauri führt seine Bilder meist als Aquarelle aus, deren physikalischen Komponenten wie Farbauftrag, Farblöslichkeit und Papierstruktur er in unkonventioneller Weise herausfordert. Mittels unterschiedlicher Korrekturtechniken mit Bürsten oder Wasserzerstäuber verändert Hauri die meist monochromen schwarzen Flächen nach dem Farbauftrag weiter. Dadurch wird teilweise das Papier aufgeraut und beschädigt wie in «Ohne Titel 6» (2011). In «Ohne Titel 1» und «Ohne Titel 4» (beide 2011) erscheinen die schwarzen Flächen als verwaschene Texturen, die an die Oberflächenstrukturen von Beton erinnern. Durch die intensive Behandlung der Bildträger sowie die monumentale Grösse haben Hauris Aquarelle eine starke räumliche Wirkung, die je nach Betrachterstandpunkt wechselt und ins Bedrohliche kippen kann. Die Formationen, die eine anwachsende, überbordende Bewegung aufbauen, lassen sich als Entwürfe für visionäre Architekturen wie ambitionierte Skulpturen lesen.

Für die Ausstellung hat Hagar Schmidhalter die raumspezifische Bodenarbeit «Leça da Palmeira» (2011) aus durchsichtiger PVC-Folie entwickelt, die um die Wand des rechten Annexes positioniert ist. Ausgangspunkt für die Arbeit ist ein Erinnerungsfoto der Künstlerin vom Swimmingpool des portugiesischen Architekten Alvaro Siza am Meer in Leça da Palmeira. Wie eine dicke Firniss akzentuiert die Folie den Boden des Ausstellungsraums neu und lässt seine Abnutzungen und Makel Teil des Werkes werden. Je nach Position des Betrachters im Raum und den Lichtverhältnissen wechselt der Belag zwischen einer Nässe andeutenden sowie matten Fläche. Obwohl Schmidhalter hier keine Farbe verwendet, zeigt die Arbeit das andauernde Interesse der Künstlerin an monochromer Malerei und ihrer Oberflächenerscheinungen: Ihre Arbeiten aus Papier, Kartonage oder Folie übermalt sie oft mit Kunstharz, Farbe und Lack und überführt sie in hybride Objekte, die sich an der Grenze zwischen Skulptur und Malerei bewegen. «Cover dark blue» und «Cover dark green» (beide 2011) zeigen ebenfalls Bildobjekte aus Stoff und Papier: Die Textilien sind die Träger von weissen Papierbögen, die in verschiedenen Kompositionen lose an ihnen befestigt sind. Die Fragilität und der unfertige Charakter der Arbeiten beziehen sich auf die Beobachtungen der Künstlerin von provisorische Umbauten und Abdeckungen im alltäglichen Stadtraum. Weiter präsentiert Schmidhalter Objekte, die aus zwei auseinandergeschnittenen oder prekär zusammengefügten Teilen eines MDF-Bretts bestehen. Wie zufällig an die Wand gelehnt, treten die Flächen in ein Spiel zwischen Negativ- und Positivformen und rücken den experimentellen Entstehungsprozess der Werke  ins Zentrum. In der angedeuteten Beweglichkeit lassen die dreidimensionalen Collagen auch an Gebrauchsgegenstände oder unfunktionale Designobjekte für den Wohnraum denken.

Die Arbeiten von Walter Derungs, Thomas Hauri und Hagar Schmidhalter entfalten in «When shall we three meet again» auf ihre individuelle Weise unterschiedliche Szenografien, die eine Balance zwischen psychologischen Aufladungen und konkreten, formalen Kompositionen erzeugen. Die Linien und Markierungen, die sich in ihren Werken in den Raum ausdehnen, produzieren stets eine körperliche Verunsicherung, die ebenfalls in den realen Ausstellungsraum übergreift und ihn in der Wahrnehmung der Betrachter verändert.
Text: Simone Neuenschwander

www.walterderungs.ch
www.thomashauri.ch
www.hagarschmidhalter.ch

Für den Ausstellungsraum Klingental organisiert von Leila Martin.

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