RALPH BÜRGIN - Die Unsichtbaren
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Ralph Bürgin: Holo, 2009, Oel auf Leinwand
Die Bilder von Ralph Bürgin zeigen Landschaften, Architektur, menschliche Figuren, doch der Blick darauf gleitet fortwährend weg von der sichtbaren Auseinandersetzung mit der Malereigeschichte, hin zur sinnlichen Präsenz der malerischen Arbeit, dem gestischen Pinselstrich und den vielschichtigen Farbräumen.
Im Ausstellungsraum Klingental zeigt Ralph Bürgin seine bislang umfangreichste Werkpräsentation. Neben aktuellsten Arbeiten und solchen aus dem Jahr 2008 liegt der Fokus auf der Bilderwelt von 2009, die für den Maler einen entscheidenden Schritt in seiner künstlerischen Entwicklung darstellt. Ralph Bürgin (*1980) schloss 2004 an der FHNW HGK sein Kunststudium ab und erhielt seither mehrere Werkbeiträge vom Kunstkredit Basel-Stadt sowie je ein iaab-Atelierstipendium in Helsinki und, 2009, in Leipzig.
«Die Bilder von Ralph Bürgin vermitteln zunächst eine dynamisch orchestrierte Enzyklopädie der Farben, ein unerschöpfliches Reservoir der Transparenz und Tiefe, der Verdichtung und Präsenz. Die Befragung der Farben nach ihren konstruktiven Möglichkeiten, illusionistischen Raum entstehen zu lassen und ihn gleichzeitig wieder zum Verschwinden zu bringen, steht im Zentrum der künstlerischen Sondierungen: Was ist Primär- und Sekundärfarben heute zuzutrauen, zu welchen Wirkungen sind sie fähig und welche Geheimnisse unserer Lebenswirklichkeit umkreisen sie, ohne sie geschwätzig auszuplaudern? Dass Landschaften, Gebäude und Figuren ganz aus der Farbe heraus entstehen, ist dabei nur konsequent und folgerichtig. Ralph Bürgin geht es nicht um Abbildung in einem konventionellen Sinn, sondern darum, die Farbe so auf die Leinwand aufzutragen, dass die Motive gewissermassen von innen aus ihr hervorwachsen. Folgen wir den Booten, spiegelnden Gewässern, fragilen Gebäuden und einsamen Figuren wird evident, dass Energien der Formbildung solchen der Formauflösung begegnen. Die motivische Wirklichkeit der Bilder kristallisiert sich im selben Masse heraus, wie sie sich gleichzeitig wieder auflöst.
Auf den ersten Blick mag eine Nähe zum Expressionismus oder zu manchen Ausprägungen der Heftigen Malerei der 1980er Jahre überraschen, vielleicht sogar irritieren. Wer sich jedoch nicht zu schubladisierenden Zuordnungen verleiten lässt, sondern die präzise Wahrnehmung der Bilder ernst nimmt, wird bald bemerken, dass hier nicht die emotionale Innenwelt der Expressionisten und auch nicht das schwärmerische, urbane Lebensgefühl der Heftigen Malerei auflebt: Ralph Bürgin vertraut ganz den Wirkungen der Farben und verleiht ihnen durch die unabschliessbaren Prozesse ihres Entstehens und Vergehens die Möglichkeit, einige unserer scheinbar erloschenen Urbilder und Sehnsüchte zu berühren. Wenn sich zwei Segelboote in einem Gewässer spiegeln, ein altes Gebäude in einer Farblandschaft schläft oder Wohnhäuser wie zersplitterte Kristalle vor uns treten, befinden wir uns längst in der ungreifbaren Topographie archaischer Ferne. Ralph Bürgin gräbt sich durch die Farbmaterie zu diesen undefinierbaren „Urbildern“ hindurch, die in unserer scheinbar so aufgeklärten, globalen Zeit erst recht ins Unbestimmte abgesunken sind. Manchmal durchweht die Bilder ein Anflug paradiesischer Vorstellung, überraschender Unschuld und Aufrichtigkeit, als sei ein subtiler pantheistischer Widerhall nicht ganz abwesend. Da sind sie nun, „Die Unsichtbaren“, wie der Ausstellungstitel treffend bezeichnet: gleichzeitig anwesend und abwesend, aber von einer sanften Innerlichkeit, die wir uns fast nicht mehr zugestehen wollen.»
Text: Markus Stegmann
Für den Ausstellungsraum Klingental organisiert von Markus Augustinus Müller und Thomas Heimann.