vfg Nachwuchsförderpreis 2007

LISA BIEDLINGMAIER, FLURIN BERTSCHINGER, KATRIN HOTZ, SOPHIE HUGUENOT, MATTHIEU LAVANCHY, ELISA LARVEGO, LEA MEIENBERG UND HETA MULTANEN, CLAUDIO RASANO, JENNY ROVA, GUADALUPE RUIZ, ANJA TANNER, BRIAN WALKER

Ein Einblick in die Strömungen und Tendenzen der aktuellen Fotografie

24. August bis 2. September 2007

Vernissage: Donnerstag, 23. August, 18 Uhr

Verlängerte Öffnungszeiten:
Dienstag-Freitag: 12 bis 19 Uhr
Samstag/Sonntag: 11 bis 17 Uhr

 

Bild
Lea Meienberg und Heta Multanen: Eintrag aus dem Schlaftagebuch, 2006

 

Die vereinigung fotografischer gestalterInnen, kurz vfg, ist ein schweizweiter Zusammenschluss von Berufsfotografen. Sie engagiert sich für die Anerkennung und Verbreitung zeitgenössischer Fotografie. Der vfg Nachwuchsförderpreis wird in einem jährlich ausgeschriebenen Wettbewerb für Junge Schweizer Fotografie vergeben - als Starthilfe für talentierten Nachwuchs in die berufliche / künstlerische Zukunft.

222 Fotografiearbeiten wurden für den 11. vfg Nachwuchsförderpreis eingereicht und von einer fünfköpfigen Jury prämiert. Die Mitglieder der Jury waren:
•    Elisabeth Kaufmann, Galeristin, Zürich
•    Virginie Otth, Fotografin, Lausanne
•    Melody Gygax, Bildredakteurin der Basler Zeitung, Zürich
•    Tom Haller, Fotograf, Zürich
•    Nicolas Faure, Fotograf, Meyrin

Die Qualität der eingereichten 222 Arbeiten war in diesem Jahr auffallend hoch, innovative Fototechniken werden durch ästhetisch-formale Strukturen professionell umgesetzt. Fotografie darf wieder schön sein, technisch steht die Perfektion im Vordergrund. Auffallend ist die hohe Anzahl der Frauen in der zeitgenössischen Fotografie, es zeigt sich in den Fotoklassen, dass die einstige Männerdomäne Fotografie heutzutage in immer öfter auch von Frauen als Medium genutzt wird. Dies wird in unseren Einsendungen bestätigt: So sind in der Ausstellung 9 Fotografinnen und 4 Fotografen vertreten. Auch zieht es die heimischen Fotografen ins Ausland: Ob nach Georgien, Serbien, Kolumbien oder Japan; stets scheint es um den bildlichen Import von kultureller Faszination zu gehen. Inszenierte Reportagen mit dem Hang zu einer poetischen Rhetorik erzählen vom Fremden das durch die Bildsprache aber vertraut wirkt.

«Maschavera», ein Fluss in Südgeorgien, umfasst das Dorf Kasreti wie einen Rahmen, in dem sich Legenden und vermeintlich Mystisches abspielt. Die gleichnamige fotografische Serie von Lisa Biedlingmaier in acht Bildern wird mit Texten, die solch sagenumwobene Geschichten erzählen, begleitet. Frauenportraits stehen im Vordergrund, sie sind inszeniert und wie ein Theaterstück dramaturgiert, darin wirken die Frauen äusserst selbstbewusst. Der «Hahn sprang mir auf den Schoss da wusste ich, dass ich schwanger war.» Biedlingmaier erfasst Mythen und man könnte meinen, sie archiviert und memorisiert sie in ihren stilvollen Fotografien in einer modernen fotografischen Version. Claudio Rasano führt uns mit seiner Arbeit «living inside tbilisi», wieder nach Georgien. Hier werden Männer neben ihren sehr bescheiden wirkenden Schlafstätten portraitiert. Auffallend ist die sehr ästhetisierende blasse Farbgebung der Bilder, die im Kontrast zu der ärmlich und hart wirkenden Realität der Portraitierten steht.

In Matthieu Lavanchys Arbeit «morte-saison» (*1. Preis)  präsentieren sich dem Betrachter Landschaftsräume mit offensichtlich menschlichen Spuren. Ist der Mensch selbst zwar nirgends sichtbar, so ist doch auf den ersten Blick klar, dass diese Orte zeitweise von ihm genutzt und besetzt sind. Er fotografierte private Gärten ausserhalb der Jahreszeiten, in denen der Besitzer diese normalerweise aufsucht. In dieser Zwischensaison vom Winter zum Frühling ist der eigentliche Sinn dieser Orte bereits ablesbar, nur noch verdeckt von den letzten Schneeresten. In sorgfältig komponierten Bildausschnitten verdichten sich die Zeichen menschlicher Existenz, die der Winter zuvor versteckt hielt.

Ein fotografisches Projekt mit einem klar definierten Rahmen wählte Sophie Huguenot in ihrer Arbeit «58 Tage – Bildredaktion» (*3. Preis). Die von ihr eingesetzte Grossformatkamera kann für das Genre der heutzutage fast nur noch digitalen Pressefotografie ungeeigneter nicht sein. Der Bildredakteur der Tageszeitung «24 heures» informiert die Fotografin 58 Tage lang per Mail über die Themen der Lokalseiten., Am jeweiligen Schauplatz angekommen, muss sie erst einmal einen geeigneten Blickwinkel suchen, die Kamera aufbauen und einrichten. Dadurch ist die Fotografin oftmals zu spät, muss nehmen was noch da ist, vielleicht war es eine Open Air Kino Vorführung, vielleicht aber auch ein Konzert. Zurück bleibt nur ein von Einlassbändchen, leeren Flaschen und Verpackungen bedeckter Boden. Doch dieses Bild hat sicher keiner der anderen Fotoreporter aufgenommen, somit gibt sie uns einen anderen Einblick in die Gesellschaft welcher uns ansonsten entgehen würde.

Elisa Larvego zeigt uns in ihrer Serie «funny holes» (*4. Preis) einen ganz eigenen Mikrokosmos, es handelt sich um eine Art Freizeitvergnügen: Alles begann mit einer fotografisch motivierten Faszination für einen in der Nähe von Genf bestehenden Schiesssportclub. Eng liegen hier Vergnügen und Gewalt zusammen, für die Fotografin eine ambivalente Ausgangssituation die sie weiter ergründen wollte. Entstanden ist eine auf den Betrachter recht skurril wirkende Serie, in der die Porträtierten seltsam entrückt wirken. Man kann diese Bilder dadurch nicht gleich einordnen oder katalogisieren, sie faszinieren den Betrachter, erinnern im Stil an Fashion Photography, und wirken extrem ambivalent, genauso also wie die Fotografin die Situation dort erlebt hat.

«Eintrag aus dem Schlaftagebuch» von Lea Meienberger und Heta Multanen (*2. Preis) zeigen in ihrer Serie einen äusserst wachen Jungen mit geschlossen Augen, der Spuren im Gesicht trägt, Kratzer, welche die Frage aufwerfen, wo er sich diese wohl zugezogen hat. Orte erscheinen in dieser Serie, oder vielleicht ist es doch nur ein Einzelner, an dem sich die Geschichten abspielen? Es erscheint eine zweite Person, eine scheinbar erwachsene Frau im Nachthemd, Kopf und Gesicht bleiben dem Betrachter vorenthalten. Unwirklich der Fisch der so unwahrscheinlich nah an ihre nackten Füsse reicht. Die Serie lässt sich wie Poesie lesen und interpretieren, sie lässt unserer Fantasie einen extremen Spielraum, sich die fast märchenhaften Begebenheiten in den verschiedenen Stories zu erträumen. Eine Fotografie die sinnlich und träumerisch Freiraum für Fantasie erlaubt.

«vent favorable- l’âme diluée, le coeur entre les dents» oder «Was macht Caspar Wolf heute?» von Katrin Hotz ist eine an den Stil des Road Movies angelehnte Arbeit: Es geht um das Reisen im Auto, ohne, so scheint es zumindest, eigentliches Ziel, die Reise selbst ist Erlebnis genug. Obwohl die Fotografin ihre Kamera nach Aussen richtet, dominiert auf den Bildern stets der Innenraum des Wagens. Auf dem Armaturenbrett temporär abgelegte Alltagsgegenstände, wie Obst, ein Baguette oder eine Mütze, sind das Hauptthema der Fotografien. Der Wagen wird für den Zeitraum der Reise zum Ersatzzuhause. Die Arbeit steckt voller Sehnsucht nach dem Unterwegssein an sich und ist gleichzeitig eine Hommage an Selbiges. Auch in der von Flurin Bertschinger eingereichten Arbeit «Zona Srece, Sportska Kladionica» geht es um eine Sehnsucht, hier jedoch um die nach dem Glück beim Wetten. Er fotografierte in einem Sportwettbüro in Belgrad, seine Porträts zeigen keine hysterischen oder aufgeregten Spieler, ganz in sich gekehrt und konzentriert wirken diese. Jeder hofft beim Blick auf den Teletext auf den ersehnten Gewinn. Es ist diese Hoffnung, welche die Menschen Tag für Tag in das Wettbüro kommen lässt und genau diese hat Flurin Bertschinger in seinen Bildern einfangen können.

Guadalupe Ruiz ist im zweiten Jahr in Folge mit in die Ausstellung des vfg Nachwuchsförderpreises gekommen. Ihre Arbeit «La Bella Suiza» verbindet diesmal mit ihren ihr typisch sanft belichteten und stark inszenierten Portraits ähnlich Telenovelas, Bogota in Kolumbien mit einer klischeehaften Repräsentation der Schweiz, die wie ein persönlicher Brückenschlag zwischen den zwei Kulturen wirkt, aber vor allem an der Oberfläche des symbolisch Repräsentativen bleibt. «La Bella Suiza» scheint wie eine neue Folge auf die im letzten Jahr mit dem 3. Preis prämierte Arbeit «Bogota – Lincoln». Jenny Rova zeigt ihre Selbstportraits «Aufzeichnungen 17.11. 2004 – 29. 06. 2005». Während der Schwangerschaft und nach der Geburt ihres Sohnes portraitiert sie sich vor einer weissen Wand. Damit wirft sie die Frage auf, wie Strukturen einer konventionellen Familienfotografie aufgebrochen werden können und fotografiert  - Tagebuch ähnlich  - sich und ihr Baby. Es scheint wie eine sehr mutige und ehrliche Arbeit über das Sein als werdende Mutter und die überwältigende Veränderung mit dem Selbst, dem Körper und der Umgebung, die hier darum wichtig wird, weil sie wie absichtlich weggelassen wirkt und so eine Abwesenheit symbolisiert. Rova zeigt das Offensichtliche ohne jegliche Ästhetisierung die verleiten würde, vielschichtige Bedeutungen in das Gezeigte zu projizieren. Ebenfalls in die Ausstellung aufgenommen wurden Anja Tanner und Brian Walker. Zum vfg nachwuchsförderpreis erscheint eine Broschüre mit den Kontaktdaten der 12 Selektierten. Auch lohnt sich ein Blick auf http://www.vfgonline.ch. Die Ausschreibung für den 12. vfg Nachwuchsförderpreis 2008 ist hier ab Mitte Oktober abrufbar. Der Einsendeschluss ist wie immer Ende Januar.
Text: Natalie Madani und Ariane Roth, vfg

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